Für die Betrachtung unserer Gesellschaft ist es als erstes sinnvoll, sich unser Wirtschaftssystem grob anzuschauen, dass uns alle am Leben hält. Ich möchte dies hier nur am Beispiel der Deckung des Kalorienbedarfs eines erwachsenen Menschen durch Nahrungsmittel betrachten.
Auf Youtube ist zur Zeit eine Survival-Serie relativ bekannt und beliebt; Seven vs. Wild. Dabei werden 7 Kandidaten mit 7 Gegenständen 7 Tage in der Wildnis ausgesetzt und müssen während dieser Zeit alleine zurecht kommen. Dabei müssen sie ein Videotagebuch führen, dass dann auf Youtube gezeigt wird. Eines wird in allen Staffeln dieser Survival-Show sichtbar: Viele Kandidaten halten nur drei bis vier Tage durch und müssen dann wieder in die Zivilisation zurückgeholt werden, um keinen Schaden zu nehmen. Dabei sind die Umweltbedingungen in dieser Show nicht extrem und die Orte sind so ausgewählt, dass die Teilnehmer dieser Show alles finden können, was sie zum leben brauchen. Die meisten Teilnehmer scheitern allerdings aufgrund von Kälte, Feuchtigkeit, Nährstoffmangel und Einsamkeit und das oft nach drei Tagen. Selbst Profis im Survival-Bereich kommen an ihre Grenzen und sind gezwungen, nach kurzer Zeit in die Zivilisation zurückzukehren, um keinen bleibenden Schaden zu nehmen. Das zeigt auf erschreckende Weise, wie abhängig wir Menschen von unseren technischen Systemen sind. Ohne unsere Technik sind viele Menschen nach drei Tagen nicht in der Lage zu handeln und nach einer Woche tot. Das Leben in der Komfortzone ist für uns Menschen kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für das Überleben, auch wenn so manche Sozialdarwinisten das anders sehen mögen. Der Mensch ist darauf angewiesen, sein Leben und seine Umgebung so einzurichten, dass eine Komfortzone entsteht. Das dauerhafte Verlassen der Komfortzone bedeutet langfristig den frühzeitigen Tod durch Krankheiten und körperlichen Verfall. Was bedeutet das für unsere gesamte Gesellschaft hier in Europa? Was sagt das über das Wirtschaftssystem und über unsere Gesellschaft aus? Wahrscheinlich kommt es beim Wegfall der wirtschaftlichen Versorgung hier in Deutschland innerhalb von drei Tagen zu Plünderungen und nach zwei Wochen ist die Gesellschaft, so wie wir sie kennen zerfallen. Deswegen muss eines bei allen Überlegungen über unsere Zivilisation klar sein: Wir sind alle zu 100% abhängig von unserem Wirtschaftssystem. Die Menschen in der Gesellschaft haben deshalb ein Leben in Wohlstand, weil sie einander Helfen. Öko-romantische Alternativen von der Selbstversorgung, die unsere Gesellschaft ablehnen, sind völliger Unsinn und lediglich schöngeistige Träume der Menschen, die allen Luxus haben, den die menschliche Gesellschaft bietet.
Jeder erwachsene Mensch braucht bei einem täglichen Energiebedarf von ca. 2000 kcal/d, Das entspricht pro Jahr das Energieäquivalent von 80 kg Fett oder oder 150 kg Kohlenhydrate. Diese Energie muss irgendwo her kommen und erfordert in Europa eine hochtechnisierte Landwirtschaft. Hierzu möchte ich nur zum Zweck der Vergleichs die Menge an Weizen betrachten, die zur Deckung des nötigen Kalorienbedarfs nötig wäre. Der Ertragsmenge von Weizen auf landwirtschaftlichen Flächen lautet wie folgt:
Ertrag Winterweizen: 7500 kg/(ha a) bzw. 0,75 kg/(m² a)
Ertrag Sommerweizen: 5000 kg/(ha a) bzw. 0,5 kg/(m² a)
Das bedeutet, dass jeder Mensch mindestens 200 bis 300 m² Ackerfläche allein für die Deckung seines Kalorienbedarfs benötigt. Allerdings benötigt ein Mensch mehr als nur Kohlenhydrate für seine Ernährung. Die Größe der gesamten landwirtschaftlich genutzten Fläche der Bundesrepublik Deutschland (BRD) beträgt 50,5% der Gesamtfläche der BRD, das heißt 180582 km². Bei einer Einwohnerzahl von 83·106 Einwohnern benötigt jeder Einwohner rechnerisch eine Landwirtschaftliche Fläche von 2176 m². Wenn man den ganzen Tag etwas anderes Machen möchte, als mit der Hacke den Acker zu bewirtschaften, benötigt man Maschinen, um Landwirtschaft zu betreiben. Da neben Nahrung auch noch Wohnraum, Trinkwasser und Werkzeuge bereitgestellt werden müssen, muss ein Landwirt neben sich selbst auch andere Menschen ernähren, die dann die Herstellung von Werkzeugen und anderen Gütern übernehmen. Sicher; Menschen können auch in einem Land leben und den ganzen Tag Hackbau betreiben, aber dann ist eine Zivilisation nicht möglich. Deshalb ist eine Arbeitsteilung nötig und eine Arbeitsteilung benötigt Maschinen. Eine komplexe Zivilisation benötigt zunehmend höhere Technologien, weil die Arbeitsteilung immer ausgefeilter und spezialisierter wird. Sobald wir eine Form der Zivilisation entwickeln sind die dort lebenden Menschen zu 100% abhängig von dem Wirtschaftssystem. Das Wirtschaftssystem zu ändern bedeutet, ein funktionierendes System zu ändern, das Millionen Menschen jeden Tag mit dem versorgt, was sie zum Leben brauchen.
An dieser Stelle ist mir klar, dass es in allen Gesellschaften auch Missstände und Verwerfungen gibt. Diese Missstände werden allerdings nicht beseitigt, indem man die Gesellschaft als Ganzes ablehnt oder dadurch, dass man nichts tut uns schweigt. Missstände werden am besten dadurch beseitigt, dass man sie unermüdlich anspricht und aktiv auf die Lösung der Probleme hin arbeitet, die dem Missstand zugrunde liegen. Da eine Gesellschaft ein sehr komplexer Organismus ist, kann es unter Umständen lange dauern, bis sich etwas ändert. Hier ist Geduld und Beharrlichkeit gefragt.