Jesus nachzufolgen, ist für gläubige Christen ein zentrales Thema. Doch was bedeutet es, Jesus nachzufolgen? Muss ich, um Jesus nachzufolgen, als Heiliger durch die Welt laufen und wie ein Mönch leben? Oder muss ich in irgendeiner christlichen Gemeinde Suppe an die Armen verteilen? Wenn ich ein normales Leben in dieser Gesellschaft führen will, ist Jesus nachzufolgen, so wie es aussieht, gar nicht möglich, oder etwa doch? Als erstes möchte ich mal in die Bibel sehen und lesen, was Jesus konkret zur Nachfolge sagt. Im Lukasevangelium steht folgende Geschichte:
„Und sie gingen in einen anderen Markt. Es begab sich aber, da sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wo du hin gehst. Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hin lege. Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, daß ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. Aber Jesus sprach zu ihm: Laß die Toten ihre Toten begraben; gehe du aber hin und verkündige das Reich Gottes! Und ein anderer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, daß ich einen Abschied mache mit denen, die in meinem Hause sind. Jesus aber sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reich Gottes.“
(Lukas 9,57-62) [1]
Hier beschreibt Jesus sehr schön, welche Fragen mit der Nachfolge verbunden sind. Wir Menschen richten unser Leben im Laufe der Jahre so ein, dass wir uns sicher und zu Hause fühlen können. Wir haben ein Einkommen, eine gemütliche Wohnung, vielleicht eine liebe Familie und unseren gewohnten Alltag. Wir erfüllen uns mit Hilfe anderer Menschen viele Wünsche, die im Laufe der Zeit in uns wachsen. Gleichzeitig entfernen wir uns unter Umständen von einer engen Beziehung zu Gott und wenden uns unserer Selbstsucht zu. Daraus ergeben sich Probleme, in die wir uns im Laufe des Lebens immer mehr verstricken. Diese Verstrickungen werden im Laufe der Jahre zur Gewohnheit, aus der wir alleine nicht mehr heraus kommen.
Wie steht es damit, Jesus nachzufolgen? Der Weg, Jesus nachzufolgen beginnt für mich damit, dass ich mein eigenes Leben hinterfrage. Macht mich das, was ich mir Wünsche, glücklich? Brauchen die Menschen, denen ich helfe, meine Hilfe wirklich? Habe ich mir irgendwelche Götzen geschaffen, denen ich diene? Bin ich zornig auf andere Menschen? Mache ich mir selbst Druck, weil ich denke, dass andere Menschen etwas von mir erwarten, was sie vielleicht gar nicht tun? Gibt es andere Menschen, die mich in ihre Probleme hinein ziehen? Habe ich mich durch mein Fehlverhalten in eine scheinbar ausweglose Situation gebracht?
Alle diese Dinge müssen, wenn man Jesus nachfolgen will, konsequent losgelassen werden. Da führt kein Weg daran vorbei. Es geht nicht darum, sich von der Gesellschaft abzuwenden und gegenüber anderen Menschen gleichgültig zu werden. Es geht viel mehr darum, die Dinge abzulegen, die aus der eigenen Selbstsucht oder der Selbstsucht anderer Menschen heraus wachsen. Es geht um die Dinge, die zwischen einem selbst und Jesus stehen. Das Loslassen wird mit Sicherheit zu Konflikten mit den Menschen führen, weil dadurch auch die Gewohnheiten anderer Menschen gestört werden. Das führt dazu, dass man selbst die Komfortzone verlassen muss und dass man unter Umständen auch massive Anfeindungen erfährt. Jesus selbst sagt dazu im Johannesevangelium:
„So euch die Welt haßt, so wisset, daß sie mich vor euch gehaßt hat. Wäret ihr von der Welt, so hätte die Welt das Ihre lieb; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich habe euch von der Welt erwählt, darum haßt euch die Welt.“
(Johannes 15,18-19) [1]
Der Weg, Jesus nachzufolgen, führt letztendlich zu Gott, der das Universum geschaffen hat. Dieser Weg führt zu einem Leben mit Gott im Einklang mit seiner Schöpfung und führt zu wirklichem Frieden. Daran können die Anfeindungen der Menschen nichts ändern. Sich in die Machenschaften der Menschen zu verstricken bedeutet, sich von Gott zu entfernen und in den Strudel dessen mit hineingezogen zu werden, was Menschen sich gegenseitig antun.
[1] Luther Bibel 1912